Am Ende war's dann doch ein russischer Großmeister – Thorsten Schmitz holt eine IM-Norm

Großmeister Alexei Gavrilov aus Russland zählte zwar zum engeren Favoritenkreis, spielte aber ein eher unauffälliges Turnier. In der ersten Runde musste er überraschend mit einem Remis zufrieden sein, dann schloss er zur Spitzengruppe auf, spielte zwei Remis gegen Fedorovsky und Elo-Favorit Burmakin, und vor der letzten Runde gehörte er zu einem Führungstrio mit 6,5 Punkten. Die beiden anderen, Fedorovsky und Burmakin, spielten in der letzten Runde gegeneinander ein wenig aufregendes Remis, und Gavrilov nutzte seine Chance gegen den heimlichen Helden des Turniers, FIDE-Meister Thorsten Schmitz aus Garching, in einer langen und schwierigen Partie. Zu Fedorovsky und Burmakin konnte mit 7 Punkten auch noch GM Ilmars Starostits aus Lettland mit einem Kurzsieg gegen Thilo Kabisch aufschließen.

Bei der Siegerehrung eine halbe Stunde nach Ende der letzten Partien übertrieb es der 53-jährige Turniersieger aus Moskau ein wenig mit der "Unauffälligkeit" – er war nämlich gar nicht da, als Böblingens Vorstand Mario Born Pokale und Preisgeld verteilte. "Das hatten wir auch noch nie", meinte der leicht verwunderte bis amüsierte Born zu den zahlreichen Anwesenden. Erst ein paar Minuten nach der Siegerehrung tauchte Gavrilov im Durcheinander zwischen sich verabschiedenden Spielern und den schon mit Aufräumen beschäftigten Böblingern auf, um den Pokal und den Umschlag mit den 1.000 Euro Preisgeld entgegenzunehmen.



Die besonderen Akzente in diesem Turnier wurden aber von starken Amateuren gesetzt. Da wäre zunächst der bereits genannte Thorsten Schmitz, der vor allem in den ersten fünf Runden glänzte, dann von GM Burmakin gebremst wurde, sich wieder herankämpfte und mit einem Sieg gegen Gavrilov sogar noch das Turnier hätte gewinnen können. Wichtiger als das bescheidene Preisgeld für den 10. Platz dürfte Schmitz seine in diesem Turnier erzielte IM-Norm sein, und die hat er sich allemal verdient. Ganz knapp an einer IM-Norm vorbei schlidderte Simon Commercon vom pfälzischen Oberligisten TSG Mutterstadt. Die Punktzahl und die für die Norm eines Internationalen Meisters erforderliche Rating-Turnierleistung stimmten, nur hatte er offenbar einen ausländischen Gegner zu wenig, und da sind die Regeln des Weltverbandes leider streng – der Titel heißt nun einmal "Internationaler Meister". Einen starken Auftritt hatte auch Bernd Schneider vom Zweitligisten aus Untergrombach, besonders am vierten Turniertag. Mit einem "Doppelpunkt" gegen IM Ulrich Schulze und dem starken Tim Janzelj aus Slowenien hatte sich Schneider bis an Tisch 1 nach vorne gespielt, aber am Schlusstag war dann doch die Luft raus. Zuerst setzte es eine Niederlage gegen Burmakin, und in der letzten Runde zog Schneider auch gegen die aus Georgien stammende, für Spanien spielende Großmeisterin Ana Matnadze den Kürzeren.

Apropos Matnadze: Die kleine 30-jährige, die in der Frauenbundesliga für den USV Volksbank Halle aktiv ist, bewies eindrucksvoll, dass sie im Schach zu den Großen gehört und kam auf hervorragende 6,5 Punkte. Das reichte für einen guten 8. Platz und den souveränen Sieg in der Damenwertung. Den Seniorenpreis sicherte sich Vladimir Kachar aus Russland – Jahrgang 1941 – hauchdünn vor dem sogar noch sechs Jahre älteren Stuttgarter Dieter Hottes.



Auch im B-Turnier gab es einen eindeutigen Sieger. Der Ludwigsburger Walter Schaffert war mit 7 Zählern und damit einem ganzen Punkt Vorsprung in die Schlussrunde gegangen, musste aber gewaltig kämpfen, um gegen Aksel Brasoi aus Norwegen den zum Turniersieg notwendigen halben Punkt zu retten. Drei Spieler kamen auf 7 Punkte: Felix Begri vom Tischtennisclub (!) Grün-Weiß Fritzdorf in NRW besiegte in der Schlussrunde den Turnierfavoriten Alexei Drozdov in einer langen und hart umkämpften Partie, was letzteren auch noch den Seniorenpreis kostete. Punktgleich mit Begri landeten Florian Feller (SG Vaihingen Rohr) und Siegmund Haug vom Schachclub Pforzheim auf Platz 3 und 4. Den Damenpreis gewann Lara Janzelj aus Slowenien (6 Punkte), bester Senior wurde mit 6,5 Punkten Jakob Luft von den Schachfreunden Oeffingen.

Das C-Open blieb bis zum Schluss eine Domäne der Jugend. Am Ende hatten sich Richard Muckle und Robin Kranz mit jeweils 7,5 Punkten deutlich vom Feld abgesetzt. Die Feinwertung entschied ganz knapp für den erst 12-jährigen Richard aus Ludwigshafen vor Robin (18) aus Stetten auf den Fildern. Auf 6,5 Punkte und damit Platz 3 brachte es Matthias Malitte aus Leonberg. Der Damenpreis ging an die auch erst 14-jährige Eva Richter aus Heidelberg, die auf 5,5 Punkte kam. Aber auch die älteren Semester boten bemerkenswerte Leistungen: Hermann Hein aus Heimsheim holte sich mit 5 Punkten den Seniorenpreis im C-Turnier, und das ist insofern schon beachtlich, als Hein mit seinen 62 Jahren jahrzehntelang mit dem Schachspiel ausgesetzt hatte, erst kürzlich wieder im Verein aktiv wurde und in Böblingen 2013 sein erstes Open-Turnier überhaupt gespielt hat. Respekt!



Am Ende zeigten sich die allermeisten Teilnehmer zufrieden und dankbar, und wenn man den Gesprächen und guten Wünschen bei der Verabschiedung glauben darf, werden die meisten im nächsten Jahr wiederkommen. Auf jeden Fall wiederkommen will der irische Schachfreund Peter Cafolla, der im dritten Jahr in Folge mit von der Partie war und in seinem täglichen Schach-Blog unter dem vielsagend-selbstironischen Titel "Patzer on Tour" für seine irische Schachgemeinde über Böblingen 2013 berichtete. Am Ende wusste er wohl selbst nicht so recht, ob sein diesmal bescheidenes Abschneiden nur auf seine Probleme mit der Klimaanlage im Hotelzimmer oder doch eher darauf zurückzuführen war, dass er unterbewusst den Titel seines Blogs bestätigen wollte. Aber auch er hat sich sehr wohlgefühlt!

Hans-Peter Remmler

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.